Asien wird zum neuen Konfliktherd der Weltpolitik

Der Satz mit Sprengstoff steht weit hinten im Abschluss Kommuniqué des Treffens der zehn Regierungschefs der Asean-Staaten, die kürzlich in Malaysia tagten. Unter Punkt 58 – fast versteckt – wird dort die Sorge geäußert, dass die Landreklamationen im Südchinesischen Meer Friede, Sicherheit und Stabilität gefährden könne. Der Friedensstörer wird nicht namentlich genannt, aber jeder weiß, wer gemeint ist: China.

Vor wenigen Tagen besuchte Japans Ministerpräsident Shinzo Abe die USA. Und gleich am ersten Tag vereinbarten die beiden Bündnispartner neue Richtlinien für die engere militärische Zusammenarbeit. Auch hier ist unausgesprochen klar, gegen wen sich die Aktivitäten der zwei Nationen richten: China.

Zwei Ereignisse, die deutlich machen: Die Fronten im Fernen Osten verhärten sich. Auf der einen Seite China, auf der anderen die USA mit ihren asiatischen Verbündeten. Dazwischen noch ein paar schwankenden asiatische Nationen, die es mit beiden Großmächten nicht verderben wollen.

Die wichtigste Ursache der Eskalation: China wird außenpolitisch immer selbstbewusster, aggressiver, arroganter. Vorbei die Zeiten, als der Wirtschaftsreformer Deng Xiaoping Anfang der 90er Jahre noch zur Zurückhaltung mahnte: „Haltet unsere Stärken verborgen. Versteckt unsere Schwächen. Beansprucht niemals die Führungsrolle.“ Entsprechend dieser Doktrin betrieb China lange Zeit eine eher unauffällige, zurückhaltende Außenpolitik. Bloß nicht anecken, lieber in Ruhe stark und mächtig werden.

Aber jetzt, wo China wirtschaftliche stark ist und immer stärker wird, erklärt China seine Machtansprüche. „Sie zeigen ihre Muskeln“, sagte Obama beim Abe-Besuch. Vor allem unter dem mächtigen Staats- und Parteichef Xi Jinping, der seinen chinesischen Traum von der alten Stärke Chinas verwirklichen will.

Deshalb wagt er den Streit mit Japan um die Diayou-Inseln im Ostchinesischen Meer. Doch am sichtbarsten ist Chinas ambitiöse Machtpolitik im Südchinesischen Meer. Dort hat China eine Neun-Punkte-Linie gezogen. Was innerhalb dieser Linie liegt, reklamieren die Chinesen für sich. Und das ist fast das gesamte Südchinesische Meer. Das verärgert vor allem die Anrainer-Staaten Philippinen und Vietnam und ist rechtlich höchst umstritten. Aber bevor das geklärt wird (aber von wem?), schafft China erst einmal Fakten, indem es auf den vielen Inselchen und gar nur Riffs Sand aufschüttet und sie künstlich vergrößert. So wird aus manchem Felsen plötzlich eine Insel.

Beispiel Spratly-Inseln – 3000 Kilometer von China, aber „nur“ 800 Kilometer von den Philippinen entfernt. Dort wurde in den vergangenen Jahren das Fiery Cross Riff konsequent ausgebaut. Satellitenfotos der vergangenen Wochen zeigten, dass dort sogar eine 1300 Meter lange Landebahn entstanden ist. Ausreichend für J-11 Kampfjets, rechnet der US-Experte Andrew S. Erickson in einer sehr guten Analyse der chinesischen Aktivitäten im Südchinesischen Meer vor.

Warum weitet China sein Einflussgebiet auf diese umstrittene Weise aus? Sie haben ein großes Ziel: Sie wollen die USA zumindest aus dem westlichen Teil des Pazifiks drängen. Die USA dagegen wollen eine pazifische Macht bleiben. Doch diese strategischen Interessen der beiden Großmächte sind unvereinbar und bergen deshalb hohes Konfliktpotential.

Hat uns in Europa das zu interessieren, was sich dort im Fernen Osten an Gefahren zusammenbraut? Oh ja. Ein militärischer Konflikt hätte verheerende Folgen. Angesichts eines solchen Szenarios verwundert die europäische Zurückhaltung – oder soll man Desinteresse sagen? Dabei könnte Europa – die EU – durchaus als glaubhafter Vermittler auftreten, weil es in Asien keine strategischen Ambitionen hat. Aber das würde ja eine gemeinsame europäische Außenpolitik voraussetzen. Und die haben wir nicht.

 

Quelle: Manager Magazin